„Sommer 1988, um genau zu sein,“ rede ich weiter. „Was hatte uns bloß hierhin geführt?“ Ich ändere meinen Blick weg von der Aussicht und fixiere Toms Gesicht. Ohne eine Reaktion von ihm abzuwarten, fahre ich leicht aufgeregt fort: „Du hast meine sechs Ansichtskarten aufbewahrt.“
„Ja, das habe ich wohl.“
„Ohne je zu antworten,“ sage ich so stimmneutral wie möglich und hoffentlich ohne eine fehldeutende Mimik, die verrät, dass ich eigentlich eine Erklärung verlange.
„Auf Anhieb finde ich keine Erklärung dafür, was mich damals dazu veranlasste, dir nicht zu schreiben.“ sagt er bedauernd. „Du bist heute wegen eines verstaubten Hochzeitskleids gekommen. Dafür gibt es sicherlich eine Erklärung,“ folgt der Konter.
Ich zögere nicht: „Das Kleid war nur einmal benutzt worden. Zu einer Anprobe. Mehr nicht. Aber das hatte vermutlich seinen handfesten Grund.“
Es folgt eine Sendepause auf beiden Seiten. Mein Pausenfilm flimmert, denn ich habe so viele Fragen im Kopf, aber formulieren kann ich kaum eine davon. Ich blicke wieder auf die unten liegende Stadt, verorte meine Erinnerungen an bestimmten Gebäuden, die sich von der Stadtmasse abzeichnen. Der Dom, das Rathaus, die Jakobskirche, die lange Trierer Straße, die in die Eifel führt. Weiter vorne links am Hauptbahnhof entdecke ich das Einwohnermeldeamt mit der einzigartigen Wetterkugel.
„Am helllichten Tag ist die Wetterentwicklung nicht abzulesen,“ sage ich um des Sagenwillens. Tom und ich lehnen an der Bronzeplatte und blicken in Richtung des auserkorenen Gebäudes. „Ich habe dort mal gearbeitet,“ plaudere ich um des Plauderwillens. „Ein Quartal im Einwohnermeldeamt.“
Tom lacht plötzlich laut. „Witzig ist es schon. Ich erledige dort zurzeit einen Auftrag.“
„Was für einen Auftrag?“ frage ich erstaunt.
„Ich warte den Paternoster. Ich bin Aufzugsmonteur.“
„Paternoster???“
„Ja, ein Paternoster ist ein…“
Ich unterbreche ihn beherzt: „Ich weiß, was ein Paternoster ist! Ein Umlaufzug mit Lasten- oder Personenbeförderung. Ich habe es geliebt, damit zu fahren.“
„Die modernen Aufzüge sind mir lieber,“ entgegnet Tom.
„Wieso? So ein Paternoster ist nostalgisch und bietet Nervenkitzel inklusive. Es gibt nichts Unheimlicheres als eine komplette Runde zu umlaufen.“ Ich spüre förmlich den Glanz in meinen Augen.
„Ich weiß! Einfach nicht aussteigen und abwarten, was passiert.“
„Entweder der Keller oder der Dachboden. Eines von beiden ist spannend. Besonders beim ersten Mal ist so viel Kribbeln drin. Voraussetzung: Man muss allein fahren.“
„Klingt nach einer Mutprobe,“ provoziert Tom und lächelt verschmitzt. „Willst du noch einmal mutig sein?“
Ich schlucke. „Ist der Paternoster nicht für die Öffentlichkeit inzwischen gesperrt?“
„Für mich nicht, Lotti!“
„Die Behörde ist bereits geschlossen.“
„Für mich ist sie nicht geschlossen. Wir können jederzeit rein.“
In diesem Moment fühle ich den inneren Zuspruch. Es ist ein tiefes Bejahen, etwas zu tun, das Aufregung verspricht. „Also gibt es heute eine Zugabe, etwas Magischeres als die kuriose Fundsache mit den sechs unbeantworteten Karten?“
„Finden wir es heraus.“
// Fortsetzung folgt / Copyright Claudia Buecken
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Charlotte als Name weckt bei mir Assoziationen mit dem Vornamen einer bekannten Bestseller- Romanautorin, deren Huldigung damit sicher keinesfalls bezweckt wurde. Andererseits lässt der Name eine Verbindung in eine Stadt ganz im Westen Deutschlands vermuten, da Charlotte von der Wortherkunft auf den Namen Karl zurückfällt, der unweigerlich mit dieser Stadt verbunden ist. Aber nun zu meinem Anliegen….gibt es keine Zeilen zum Thema SCHEIDUNG? Hinweise und Anmerkungen nimmt r——-d.p—t@gmx.de gerne entgegen.
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