@charlotte_schreibt: Jagd auf elfenbeinweiß! (5)

Scroll down to content

Ich überprüfe im Kopf meinen Kontostand und gehe in Lauerstellung. Das wäre meine Strategie, aber so hätte ich noch fünf Auktionsstunden vorm Screen verharren müssen. Ich richte einen Auktionsalarm ein, und endlich entsteht Raum für andere, wenngleich überdosierte Gedanken, die bisher von der Einfarbenlehre blockiert worden sind. Gerade jetzt sinniere ich über die tollen Vorzüge meines künftigen Endzeitgatten, als ich plötzlich den Alarm höre.  Vernarrt in mein Projekt haste ich zum Schreibtisch zurück ins Arbeitszimmer.

Das erste Gebot ist zeitnah zu machen, werde ich sinngemäß per Mail aufgefordert. Also noch fünf Stunden bis zum Ende der Auktion. Drei Beobachter, einschließlich meines Profils. Zeit für Kriegsbemalung und temporäres Verschanzen vor dem Laptop.

Nach vier ereignislosen Stunden halte ich es nicht mehr aus. Und flugs: Ich bin dabei für 150 Euro! Noch sechzig Minuten!  Ich betrachte immer wieder das wunderschöne Kleid auf den fünf Abbildungen. Schlichter Schnitt. Schlichte Eleganz. Mit verdecktem Reißverschluss und auf keinen Fall billig aussehend. Ohne Schleier. Was ist die Geschichte dahinter, schweife ich kurz ab. Was ist der Grund für den Verkauf? Artikelstandort ist, lese ich… Oops, der Alarm klingelt, stelle aber fest, dass jemand weiteres MEIN Kleid beobachtet.

Wo bin ich stehen geblieben? Ah ja, der Rest ist reine Spekulation und Fantasie, welche Vergangenheit das Kleid hat. Vermutlich im Keller gefunden und aus Gründen von Geldnot schnell zu Geld machen, stichele ich im Stillen. Noch negativere Gründe gilt es zu verdrängen. Es handelt sich schließlich um mein künftiges Glück in weiß!

Sie wurden überboten! verkündet eine weitere E-Mail zehn Minuten vor Schluss. Ich werde aufgefordert, mehr zu bieten. So tue ich das ungehemmt und bin somit wieder Höchstbietende. Das ist ja spannender als der Sonntagskrimi. Ich male mir lebhaft aus, falls ich diesen Auktionskrieg an eine Drittperson verlieren sollte, wie der Rest des heutigen Sonntags verlaufen würde. Falls genau dieses Elfenbeinweiß jemand anderes an Tag X tragen würde, wäre ich übel gelaunt. Mittlerweile stehe ich gebeugt vorm Notebook mit dem steif gewordenen Zeigefinger einer Zockerin. Die Farbe und das Kleid springen quasi aus dem Bildschirm entgengen. Ich erhöhe dreist den Betrag, noch ein paar Sekunden. Einen Moment….Dreihundertzehn Euro und fünfzig Cent, herzlichen Glückwunsch. Ich bin eine erfolgreiche Jägerin, stelle ich stolz fest.

Erst ein Aufschrei, jetzt der gelassene Blick auf das erlegte Elfenbeinweiß. Ich genieße minutenlang meinen Triumph, habe aber ohnehin intuitiv gewusst, dass ich von vornherein genau dieses zauberhafte Brautkleid ergattern würde. Aber ein bisschen Theatralik schadet niemanden. Jetzt noch schnell die Bezahlung abwickeln, voilà und geschafft! Ich träume, wie ich ohne Mühe in das Kleid schlüpfe und dahin schreite wie auf wattrige Liebeswolken. Das Universum lenkt alles so hin, wie ich es brauche.

Fortsetzung folgt// Copyright / Claudia Buecken

*Nicht auf den Elefanten, bloß nicht! Nur Jagd auf den Farbton!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: